Ökostrom aus Wasserkraft ?

06.01.2017

Ist Strom aus Wasserkraft wirklich Ökostrom?

 

Viel wurde über die Energiewende diskutiert. Sie ist richtig und notwendig. Sind aber alle erneuerbaren Energien auch tatsächlich ökologisch verträglich, entsprechen damit ihrem Etikett und sind damit sinnvoll? Da auch an der Bode und an ähnlichen Flüssen, Planungen zum Bau von Wasserkraftanlagen laufen, sind wir als Interessengemeinschaft ,,Bodelachs,, dieser Frage einmal nachgegangen und kamen zu einem ernüchternden Fazit.

Sogenannte Kleinwasserkraftanlagen (unter 1 MW Leistung) werden vielerorts in unseren Flüssen errichtet. Gerne stellen bestimmte Kreise deren erzeugten Strom als ,,Grünen Ökostrom,, dar und behaupten unter anderem, diese Art der Stromgewinnung sei emissionsfrei. Ist das aber tatsächlich wahr? Schon bei der Errichtung der Anlagen wird CO2 freigesetzt. Viel schlimmer jedoch stellt sich anschließend die Situation im Stauraum dar. Durch den Anstau des Flusses verringert sich seine Fließgeschwindigkeit drastisch. Dadurch lagern sich organische Stoffe auf dem Grund ab und beginnen dort zu faulen. Dieser Prozess erzeugt Methangas, welches 35 mal klimaschädlicher ist als CO2. Die Behauptung der emissionsfreien Energiegewinnung ist sogar wissenschaftlich belegt nicht haltbar. Staubereiche setzen sehr wohl Treibhausgase in erheblichen Mengen frei. Und diese wurden laut einer aktuell am 5. Oktober 2016 online -Ausgabe im Fachmagazin BioScience in den USA veröffentlichten Analyse bisher deutlich unterschätzt. Die Treibhausgas- Emissionen der Welt durch Wasserkraft, derzeit 1,3 % des Treibhausgasausstoßes, repräsentieren den anthropogenen (durch Menschen verursachten) Ausstoß von Kanada. Die Studie resümiert, dass die Methanemissionen etwa 25 Prozent über den bisher ermittelten Mengen liegen dürften und sich bei den vorliegenden Wasserkraftplanungen in 20 Jahren verdoppeln würden.

 

Stauräume in Flüssen verursachen vielfältige ökologische Probleme. Eine enorme Verschlechterung der Wasserqualität, Sauerstoffprobleme, die Verschlammung der eigentlich sauberen Kiessohle des Flusses und die damit verlorene Funktionstüchtigkeit als Lebensraum und Laichplatz, der Verlust der vielfältigen Gewässerstruktur und vieles mehr sind unausweichliche Folgen des Anstaues. Die natürlichen Steilufer des Flusses sind nun überflutet und stehen auch dem streng geschütztem Eisvogel nicht mehr zur Verfügung, der seine Bruthöhlen gerne in diese steilen Ufer gräbt. Die in der Bode typischen Flussfische finden keine geeigneten Lebensbedingungen mehr vor und verschwinden. Somit können sich in Stauhaltungen nur einige, eher untypische und anspruchslose Arten halten. Die typischen Flussfische, in der Wasserrahmenrichtline auch Referenzarten genannt, sind jedoch der Langzeitindikator für den ökologischen Zustand eines Flusses und stellt deshalb sogar eine bedeutende Qualitätskomponente der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) dar.

Im Falle eines einsetzenden Hochwassers, muss das Stauwehr, wenn überhaupt vorhanden, geöffnet werden, um die Wassermassen so frei wie möglich abfließen zu lassen. Die Wehrtafeln sind jedoch schmaler als das natürliche Flussbett und bilden somit ein Nadelöhr. Durch dieses Nadelöhr müssen sich die Wassermassen im Hochwasserfall zwängen, wobei das Treibgut zusätzlich ein Problem darstellt. Somit ist ein Wehr grundsätzlich eher ein Hindernis, begünstigt mögliche Hochwasserschäden oder ist sogar oftmals der Grund hierfür. Bei Wehröffnung im Hochwasserfall wird der abgelagerte Faulschlamm im Staubereich mobilisiert und lagert sich in den Kiemen der unterhalb lebenden Fische ab, behindert deren Atmung und kann sogar zu Fischsterben führen. Vorhandene Kiesbänke im Unterwasser, welche für die Fortpflanzung von Fischen und anderen Wasserbewohnern zwingend notwendig sind, werden ebenfalls überlagert und verlieren über längere Zeit ihre Funktionstüchtigkeit. Wehre unterbrechen die durchgehende Gewässersohle und verhindern die Wanderungen der dort lebenden Aquafauna. Die für Flüsse typische Unterwasservegetation kann in Stauhaltungen ebenfalls nicht existieren. Im Natura 2000 Gebiet Bode ist das der besonders geschützte FFH-Lebensraum Anhang I mit dem Code 3260 einschließlich seiner charakteristischen Arten.

Um Fische und andere Wassertiere vor dem Eindringen in den Turbinenraum zu schützen, werden sogenannte Schutzrechen davor installiert. Das Problem lösen diese nicht wirklich. Sollten diese Rechen geeignete Stababstände aufweisen, können lediglich größere Fische davor bewahrt werden, in den Turbinenraum zu gelangen und dort von den Druckschwankungen geschädigt, oder durch die Turbine zerhäckselt zu werden. Sind die Stababstände eng, werden Fische und andere Wassertiere von dem Wasserdruck, dem sie nicht lang standhalten, dagegen gepresst und vom Rechenreiniger verletzt oder getötet, wenn nicht eine optimale Umgehung ohne Meidwirkung vorhanden ist. Die toten oder schwer verletzten Fische werden in Intervallen vom Rechenreiniger mit dem Treibgut entfernt. Wanderfische wie Aal und Lachs, müssen Wasserkraftanlagen auf ihrem Weg ins Meer passieren. Die meisten Aale wandern sogar in ihrem 15 bis 25 Jahre dauernden Süßwasseraufenthalt jährlich im Frühjahr abwärts und im Frühherbst wieder aufwärts zurück. Die gleichen Tiere, auch Gelbaale genannt, müssen durch Ihren Wanderdrang jedes Jahr abwärts durch die gefahrvollen Kraftwerke ziehen. Leider wird diese Tatsache in offiziellen Dokumenten verschwiegen. Immer noch ist in den meisten Wasserkraftwerken eine hohe Sterblichkeitsrate zu verzeichnen, was von wissenschaftlichen Gutachten belegt wird. Die EU-Aalverordnung z.B. verlangt aber von den Mitgliedsstaaten, Bedingungen zu schaffen, damit mindestens 40 % der Aale die Möglichkeit haben, in Richtung Sargassosee abzuwandern , um sich dort einmalig fortzupflanzen. Wie soll das funktionieren, wenn schon an einem einzigen Standort bis zu 90% getötet werden und mehrere dieser Standorte auf dem Weg ins Meer passiert werden müssen? Diese Anlagen sind vor diesem Hintergrund einer der Hauptgründe für die schlimme Situation der Aale. Kleinfischarten und Jungfische sind durch den Schutzrechen nicht zu schützen. Sie passieren diesen und sterben massenhaft bei der Passage der Turbine allein durch die enormen Druckunterschiede. Somit finden in den Turbinenräumen regelrechte Massaker statt. Dies gilt auch für Neunaugen bzw. deren Larven, welche wie andere Arten auch, einem hohen europäischen und nationalen Schutzstatus unterliegen, welcher auch ein Tötungsverbot beinhaltet. Selbst aktuelle, wissenschaftliche Gutachten, die moderne Wasserkraftanlagen untersuchen, belegen dies. Fischaufstiegsanlagen stellen lediglich einen schlechten Kompromiss dar. Es ist längst nachgewiesen, dass diese mangels Leit- bzw. Lockströmung für die meisten Fische gar nicht auffindbar sind, weswegen sie auch nur Fischwanderhilfen genannt werden. Der Fischabstieg stellt sich noch gravierender dar. Bis heute ist dieses Problem ungelöst und bildet deswegen eine Aufgabe für mehrere Forschungseinrichtungen.

 

Das soll Ökostrom sein für den der Verbraucher die Ökostromzulage bezahlen muss? Wird er dadurch nicht gezwungen, mit seiner Zulage zur Vernichtung von Fließgewässerlebensräumen und zur massenhaften Vernichtung aquatischer Lebewesen beizutragen?

In den immer längeren werdenden Trockenperioden können die Turbinen nicht betrieben werden, bzw. liefern keinen nennenswerten Stromertrag, was amtliche Erhebungen belegen. Die Behauptung, diese Anlagen wären grundlastfähig, ist somit ebenfalls nicht haltbar. Klimaforscher prognostizieren einstimmig zukünftig immer längere Trockenperioden. Jedermann konnte die Pegel unserer Flüsse in den letzten Jahren beobachten und sich sein eigenes Urteil bilden. Zahlreiche Wasserkraftanlagen waren über Monate mangels Wasser außer Betrieb.

 

Durch das Erneuerbare- Energien-Gesetz werden derartige Anlagen subventioniert, da ein wirtschaftlicher Betrieb ohne Zuschuss nicht möglich ist. Bezahlen muss am Ende der Verbraucher über die Ökostromzulage, bzw. der Steuerzahler, da der Investor solcher Anlagen derartige Investitionen steuerlich geltend machen kann. Die Humboldt-Universität hält es sogar für verfassungswidrig.

 

Da fast alle unsere Flüsse durch menschliche Einflüsse geschädigt sind, setzte die EU schon vor Jahren verbindliche Umweltrichtlinien in Kraft, um die weitere und finale Zerstörung unserer Fließgewässer zu verhindern, bzw. deren Zustand wieder zu verbessern und damit für nachfolgende Generationen zu erhalten. Dazu gehören die Fauna-Flora-Habitat(FFH) und die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Beide verbieten die weitere Verschlechterung des ökologischen Zustandes unserer Flüsse. Stehen die beschriebenen Auswirkungen von Wasserkraftanlagen den rechtsverbindlichen Umweltrichtlinien nicht entgegen? Die Fachplanung des Landes Sachsen-Anhalt zur Umsetzung der WRRL an der Bode, bestätigt jedenfalls genau dies in einer erfreulichen Deutlichkeit.

Unsere Bode ist durch die menschlichen Eingriffe der Vergangenheit nur im oberen Teil natürlich geblieben und wurde flussabwärts im Rahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie deshalb als „erheblich verändert“ eingestuft. Offensichtlich ist das bisher nicht aufgefallen, denn der europäische Gerichtshof hat am 1. Juli 2015 explizit darauf hingewiesen, dass die seit 2000 bestehende Richtlinie im Art. 4 (5) in solchen, von Menschen veränderten Gewässern, jede weitere Verschlechterung strikt untersagt.

Für Wanderfische stellen Wasserkraftanlagen ein riesiges Problem dar und haben erheblichen Anteil an deren schlimmer Bestandssituation.

In den USA werden derzeit ganze Staudämme zurückgebaut, welche einst zur Nutzung der Wasserkraft errichtet wurden. Man will damit den Flüssen ihre natürliche Funktion zurückgeben. Flüsse sind Lebensadern, in denen es fließen muss und die Auswirkungen der Wasserkraftanlagen bis in die Oberläufe bzw. Laichgebiete auf die dortige Flora und Fauna sehr negativ sind! Dort haben die Verantwortlichen verstanden, dass derartige Anlagen massiv zum Artensterben beitragen und mehr Schaden als Nutzen bringen.

Wasser ist die Grundlage für alles Leben auf diesem Planeten. Die Macher des Grundgesetzes waren sich dessen schon damals bewusst und widmeten dieser Tatsache sogar den Artikel 20a. Darin heißt es: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen, die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere, im Rahmen der verfassungsgemäßen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Ordnung durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“

Diesen Artikel sollten sich die Entscheidungsträger wieder einmal in Erinnerung rufen!

Sollte man an Deutschlands Flüssen und an der Bode die Wasserkraft weiter ausbauen, würde das auch die Energiewende zur Farce degradieren, da die Probleme bei der Energiegewinnung nicht nachhaltig gelöst, sondern nur nachhaltig verlagert werden.

 

Wasserkraft ist weder klimaneutral noch umweltfreundlich und damit aufgrund überall vorhandener Alternativen mit besseren Umweltoptionen nicht mehr zeitgemäß.

 

Gastautoren:

Gerard Friedrich Kleve und Heimo Reilein von der Interessengemeinschaft Bodelachs

Anlagen: Bilder mit Herkunftsnachweis und Veröffentlichungserlaubnis

 

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Wasserkraftanlagen (06.01.2017)

Wasserkraftanlage Kostheim